Geschichte

 

"Wo man singt, da lass' dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder!" Dieser Gedanke ist ja so neu nicht, auch um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert und früher dachte man in der Hohentwielstadt schon so. Damals (1899)- Singen war eben zur Stadt erhoben worden - stand jenseits des Bahnhofes, südlich der Bahnlinie, neben den Industriebauten der Maggi und Fitting lediglich ein paar Wohnhäuser.

 

Und es gab bereits die Wirtschaft "Zur Eisenbahn" und die dortige Stammtischgesellschaft. Unter der Leitung von Dominik Weber trafen sich nach Feierabend sangesfrohe und humorvolle Männer in der gemütlichen Gaststube, um bei Lied und Witz ein paar gemütliche Stunden zu verbringen. Sie hatten sich in einem Gesangsverein zusammengetan, dem sie den Namen "Quarksdorf Neu-Böhringen" hatten.

 

Aber es wurde nicht nur gesungen, sondern auch politisiert und es fehlte nicht an Kritik gegenüber dem damaligen Stadtoberhaupt und seinem Stadtrat. Denn die Strassen südlich des Bahnhofes waren sehr schlecht und an Lichtanlagen fehlte es auch. So lag es nahe, aus den Reihen der Sänger eine oppositionelle Gemeinde gegen das rückständige Singen ins Leben zu rufen, mit einem eigenen Bürgermeister und eigenen Gemeinderäten an der Spitze. Da die neue Gemeinde Richtung Böhringen gelegen war und die Umstände eher denen des Nachbarortes glichen, wurde bestimmt, dass die neue Gemeinde den Namen "Neu-Böhringen" erhalten sollte.

 

Ein Augen- und Ohrenzeuge schilderte die Geburt der Gemeinde Neu-Böhringen wie folgt: "In den frühen Morgenstunden des 11.November 1904 wurde der friedliche Stadtteil Neu-Böhringen mit Trompetenstößen und Paukenschlägen aus den Angeln gehoben. Ein närrischer Revolutionär mit Polizeischelle verlas eine Proklamation, die besagte, dass um 11 Uhr 11 im "Eisenbähnle" eine Großkundgebung stattfinde. Und zu besagter Stunde versammelte sich das Volk zu diesem "Massenmeeting".

 

Der aus Freiburg im Breisgau stammende Narrengelehrte Dominik Weber eröffnete die Riesentagung und hielt eine ebenso flammende wie revolutionäre Ansprache, die dem bisherigen Regime den Kampf ansagte. Aus tausend Kehlen wurde ihm ein bejahendes "Hoorig" entgegengeschmettert, und unter stürmischer Begeisterung rief die Menge Dominik Weber zum Bürgermeister aus und beauftragte ihn mit der Bildung des Gemeindeparlamentes.

 

Um die fünfte Mittagstunde wurde das Parlament der Öffentlichkeit vorgestellt. Es setzte sich wie folgt zusammen: Bürgermeister Dominik Weber, Bürgermeisterstellvertreter Karl Hübner, Säckelmeister John Seiler, Gemeindearchivar Jakob Werner, Sanitäts- und Gesundheitswesen Alois Weißenrieder, Bolizist Fritz Unger. Dazu wurden noch sechs Gemeinderäte bestellt. Zum diplomatischen Vertreter für das Außenamt und als Verbindungsmann zur Stadtverwaltung Singen bestimmte man Karl Struller. Anschließend trat das gesamte Gemeindeparlament zu seiner ersten Sitzung zusammen und in der achten Abendstunde wurden die ersten Ergebnisse des historischen 11. November 1904 verkündet:

 

Vier entscheidende Verfügungen werden erlassen, die folgenden Wortlaut hatten:

Der Stadtteil Neu-Böhringen wird zur selbstständigen, unabhängigen Gemeinde ausgerufen.

Das Wahrzeichen der Stadt Singen, der Peter-und-Pauls-Dom, wird nach wie vor respektiert.

Der Schrankenübergang, der die Singener Industriestraße mit der Neu-Böhringer Fittingstraße verbindet, wird zum neutralen Korridor erklärt.

Die Fischerrechte im Seewadel werden in ein ewig Privileg verankert.

So kam es zur Gründung des zweitältesten Narrenvereins von Singen, dessen erste offizielle Bürgerversammlung am schmutzigen Dunschtig 1905 stattfand, wo sämtliche Vertreter des Gemeindeparlamentes bestätigt wurden. Im Jahre 1910 wurde ein "FC Neu-Böhringen" ins Leben gerufen und an der Fittingstrasse wurde der Neu-Böhringer Stadtgarten eröffnet.

 

Den Höhepunkt der geselligen Veranstaltungen bildete aber stets die Fasnet und es wurden Umzüge durchgeführt und Knappenabende veranstaltet. Als dann der Erste Weltkrieg ausbrach, waren die Neu-Böhringer bereits zu einem feststehenden Begriff geworden. Einen gewaltigen Rückschlag gab es während des Krieges durch den Verkauf der Gemeindebeiz "Eisenbahn" an die Fitting. Dadurch hörten die wenigen Veranstaltungen noch ganz auf und erst nach Kriegsende begann wieder ein neues Leben in Neu-Böhringen. Als neues Narrenlokal hatte man die Gaststätte "Zum Hegau" nördlich der Eisenbahn gewählt, wo 1924 Franz Martin zum neuen Bürgermeister ernannt wurde.

Aus der Zeit des Nationalsozialismus ist nichts überliefert, zumindest ist dem Chronisten noch keine Quelle bekannt. Am 11.11 1949 wurde jeweils die Fasnacht mit einer Narrenversammlung im "Hegau" eröffnet. Als Vereinsvorsitzender fungierte Franz Martin, als Bürgermeister wurde Gottlieb Schuhmacher gewählt. Beide traten 1952 zurück, wobei Franz Martin zum Ehrenbürger von Neu-Böhringen ernannt wurde.

 

Die fünfziger wurden nicht nur vom Wiederaufbau des Vereins geprägt. Hansele- und Bajazzo- Kostüme wurden angeschafft und es gab auch einige Wechsel. Zunächst trat Josef Limberg 1952 die Nachfolge als Vorsitzender an und während seiner Amtszeit übersiedelte der Verein 1954 aufgrund unüberbrückbarer Differenzen ins Gasthaus "Adler". Wenige Tage vor dem 50. Geburtstag der Narrengemeinde Neu-Böhringen kam es zum Austritt des bisherigen Vorstands. Dessen Nachfolge trat Karl Leibach an , der nach glanzvollen Jubiläumsfeierlichkeiten mit Fahnenweihe (Taufe durch die Narreneltern der Poppele-Zunft) das Amt an Eugen Dufner übertragen konnte. Dufner wurde gleichzeitig der Präsident der neu gegründeten Interessengemeinschaft "Vereinigte Narrengesellschaften Hohentwiel", die heute "Vereinigung Singener Narrenvereine" heißt.

 

Ebenfalls Kinder der fünfziger Jahre waren die Veranstaltungen in der Waldeck-Turnhalle, die Narrenzeitung erst "Neuböhringer Echo", seit 1979 "Katzenschnauze", benannt nach dem Neu-Böhringer Wappentier, sowie Willie Karstens komponierten Narrenmarsch. Den Text steuerte Eugen Dufner und Heinrich Wüst bei. Letzterer wurde 1959 zum Vorstand gewählt.

 

In den Jahren 1960-66 war Karl Metzger der erste Mann der Narrengemeinde. Von 1966-68 regierte Hans Bötel und von 1968-72 Lothar Braun. 1972 zum Vorstand gewählt, hatte Robert Kramer das Amt 16 Jahr inne. 1977 kommt es zum Austritt aus dieser Gemeinschaft, dafür treten die Neu-Böhringer der überregionalen Narrenvereinigung Hegau Bodensee bei. Die Anschaffung neuer Kostüme, insbesondere des Katzenkostüms, war 1978 eines der Highlights. 1982 findet in Singen der Narrentag der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee statt, veranstaltet durch die Überlinger Chrüzer-Brötli, die Friedinger Hexen und die Neu-Böhringer. Glanzvolle Jubiläen, aber auch mancher Rückschlag, prägen das Bild des Vereins. Nach 35 Jahren Herrschaft in der Narrenbeiz "Adler" übersiedelte der Verein 1989 nach dem "Waldblick" in die "FC-Singen-04-Gaststätte" und wieder in den Adler zurück. Außerdem ist das Schließen der Waldeck-Schule am Schmutzigen Dunschtig zu erwähnen, wobei die Guggenmusik "Los Cravallos" immer einen lautstarken Partner abgibt.

 

Seit 1988 bekleidete Dieter Matschke das Amt des Bürgermeisters. Schon bald darauf folgte der endgültige Auszug aus der Narrenbeiz "Adler", da diese auf Nimmerwiedersehen für die Narren von der Brauerei veräußert wurde. Seither war das "FC-Clubheim wieder die Heimat der Neu-Böhringer, und da die Waldeck-Turnhalle seit 1994 ebenfalls nicht mehr als Veranstaltungsort zur Verfügung stand, begann die Suche nach einer geeigneten Lösung.

 

Leider liegen dem Verfasser aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg keinerlei Informationen über Einteilungen des Vereins in verschiedene Gruppen vor. Auch nicht über das Tragen von einheitlichen oder nicht einheitlichen Kostümen. Daher beschränken sich die Angaben über diese Punkte auf die Zeit nach dem Wiederaufleben der Fasnacht in Singen im Jahre 1948. Für Hinweise und Bildmaterial aus der Zeit vor dem Krieg wären wir dankbar.

 

 

 

© 2022 Narrenverein Neu-Böhringen e.v. Singen am Hohentwiel 1905